Im Projekt „Bauen & Wohnen“ kamen Bürgerräte zum Einsatz, um die gesellschaftliche Akzeptanz der in den Arbeitsgruppen entwickelten Vorschläge für mehr bezahlbaren Wohnraum zu überprüfen. Diese wurden zwischen April und Juni in den urbanen Metropolregionen Berlin und Ruhrgebiet durchgeführt.
In zwei Bürgerräten diskutierten je 20 zufällig ausgewählte Teilnehmende stellvertretend für die Öffentlichkeit ihre Perspektiven und Bedürfnisse zu Fragestellungen des Projekts. Jeweils ein Präsenz- und ein virtuelles Treffen bildeten hierfür den Rahmen – DIALOGIK - die gemeinnützige Gesellschaft für Kommunikations- und Kooperationsforschung – verantwortete Konzeption, Durchführung und Auswertung nach wissenschaftlichen Kriterien. Die Ergebnisse der Bürgerräte fließen in die weitere Arbeit der Expertinnen und Experten der Arbeitsgruppen ein und tragen so dazu bei, tragfähige Lösungsoptionen zu entwickeln.
Bürgerperspektiven als Ergänzung zu Expertenwissen
Ein zentraler Unterschied zum klassischen Bürgerratskonzept liegt darin, dass im Projektkontext kein konkretes Mandat vorliegt. Bei der Durchführung von klassischen Bürgerräten erarbeiten Bürgerinnen und Bürger Empfehlungen für politische Entscheider zu einer kommunalen Entscheidungsfindung, von der sie auch unmittelbar betroffen sind. Im Projekt Bauen & Wohnen sind die Bürgerräte Teil eines wissenschaftlichen Projekts. Die Bürgerinnen und Bürger bringen stellvertretend für die Öffentlichkeit ihre Perspektiven und Bedürfnisse zu Fragestellungen der Plattform „Bauen & Wohnen“ ein. So unterstützen sie dabei, Lösungsansätze gesellschaftlich einzuordnen, und die Bürgerperspektiven gehen mit dem Expertenwissen systematisch in die Entwicklung von Handlungsoptionen ein. Diese wissenschaftliche Einbindung von Bürgerräten stellt einen innovativen Ansatz in ihrer Anwendung dar.
In den Sitzungen wurden insgesamt drei Themen diskutiert, die die folgenden Kernaussagen ergaben (Auszug):
Einfache Wohnstandards und weniger Wohnfläche
Mit der Fragestellung „Welche Wohnstandards sind für Sie heute unverzichtbar und müssten auch in einer sehr günstigen Mietwohnung vorhanden sein?“ diskutierten die Teilnehmenden in einem Spannungsfeld zwischen Kostensenkung und dem Erhalt angemessener Wohn- und Lebensqualität:
- Schallschutz gilt als unverzichtbarer Grundstandard, während auf Badewannen oder Fußbodenheizungen eher verzichtet werden kann.
- Barrierefreiheit mit der Notwendigkeit von Aufzügen wurde kontrovers diskutiert – gesellschaftliche Verpflichtung versus Kostenfaktor.
- Auf Stellplätze kann unter bestimmten Voraussetzungen – beispielsweise einer guten ÖPNV-Anbindung – verzichtet werden.
- Nachhaltiges Bauen spielte in den Diskussionen eher eine untergeordnete Rolle.
- Wohnungsschnitt wird als wichtiger erachtet als Wohnungsgröße.
- Ein lebenswertes Quartier macht kleine Wohnungen attraktiver, gemeinsame Außenflächen sind ein wichtiger Faktor, Funktionsflächen als gemeinsame Innenräume sind akzeptabel.
Nachverdichtung im Quartier
Hier ging es darum, unter welchen Bedingungen Nachverdichtung akzeptiert wird, welche Sorgen damit verbunden sind und welche Chancen sie bietet:
- Nachverdichtung wird generell positiv wahrgenommen und als notwendig betrachtet – so lange keine Grünflächen wegfallen.
- Teilnehmende äußerten die Sorge, dass Nachverdichtung häufig nur das Hochpreissegment bedient.
- „Nutzung von Leerstand vor Neubau“ ist eine der zentralen Forderungen.
- Zu weiteren Hauptsorgen zählen die Beeinträchtigung der eigenen Wohnqualität und fehlende, nicht mitwachsende Infrastruktur sowie die Verdrängung bestehender Quartiersstrukturen.
- Naturräume und Grünflächen sind für die Mehrheit ein zentrales Bedürfnis, Begrünungskonzepte zur Verbesserung des Stadtklimas werden begrüßt.
Beteiligung und Mitgestaltung im Quartier
Die Teilnehmenden entwickelten aus ihren Erfahrungen heraus konkrete Ideen für wirksamere Beteiligung und formulierten klare Anforderungen an gelungene Partizipation:
- Vorschläge sind Bürgerabstimmungen, aufsuchende Beteiligung direkt an der Haustür, Quartiersräte als Vermittlungsinstanz.
- Genossenschaftliche Modelle, bei denen Bürgerinnen und Bürger durch finanzielle Beteiligung echtes Mitspracherecht erhalten, werden favorisiert.
- Zentrale Erfolgsfaktoren sind eine frühe Kommunikation und Beteiligung, um Bedürfnisse der Anwohner zu berücksichtigen, sowie der Einsatz von digitalen Lösungen zur Information und Beteiligung.
Die Bürgerräte lassen wichtige Bürgerperspektiven zu einzelnen Fragestellungen in das Projekt einfließen. Sie verdeutlichen, , welche Bedürfnisse im Vordergrund stehen, bringen Ideen aus der Bevölkerung ein und weisen auf mögliche Spannungsfelder hin.
Zum ausführlichen Bericht der Bürgerräte
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