Mitte Mitte September war das Bauen & Wohnen-Team gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Projektleiter Prof. Dr. Drs. h. c. Ortwin Renn und den Co-Leitungen der Arbeitsgruppen Prof. Dr.-Ing. Agnes Förster und Prof. Dr.-Ing. Stefan Winter beim 18. Bundeskongress Nationale Stadtentwicklungspolitik in Rostock mit einem Fachforum vertreten. Rund 1.000 Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Verbänden waren auf dem dreitägigen Kongress dabei und diskutierten zum veranstaltungsübergreifenden Thema „Wie können soziale, grüne und produktive Quartiere entstehen, die den Herausforderungen der Zukunft standhalten?“.
Der Bundekongress wird von den Partnern der Nationalen Stadtentwicklungspolitik – der Bauministerkonferenz der Länder, dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund sowie dem Bundesbauministerium ausgetragen. Die Plattform Bauen & Wohnen beteiligte sich mit dem Fachforum „Bestand als Chance! Soziale und technologische Innovationen für mehr bezahlbaren und nachhaltigen Wohnraum im Quartier“. Rund 140 Interessierte kamen zu der Veranstaltung, bei der der aktuelle Stand der Diskussionen aus den Arbeitsgruppen vorgestellt und anschließend diskutiert wurden.
Den Auftakt machte Ortwin Renn mit einer Vorstellung des Projekts. Mit Blick auf das Ziel, Lösungen für mehr bezahlbaren Wohnraum im Bestand zu entwickeln, betonte er: „Im Gebäudebestand ist sehr viel möglich, um innovativ zu sein. Innovativ im Sinne von Nutzung, Aufstockung und Umbau, aber auch im Sinne von Flexibilität, um tatsächlich mehr Wohnraum für mehr Menschen zu schaffen.“
Hürden, Herausforderungen und erste Lösungsansätze
Anschließend zeigten die Co-Leitungen der Arbeitsgruppen, welchen Hürden und Herausforderungen es gibt und welche Möglichkeiten, diese zu beseitigen:
Auf Quartiersebene, so erklärte Agnes Förster von der RWTH Aachen und Co-Leiterin der Arbeitsgruppe „Stadt- und Quartiersentwicklung”, müssen Lösungen immer quartiersspezifisch gedacht werden. Ob dicht gemischt, Mischgebiet und Übergangszone, suburbaner Raum oder Großwohnsiedlung – jeder Quartierstyp birgt andere Potenziale im Gebäudebestand. Bezahlbarkeit im Sinne des Projektziels sollte dabei breit verstanden werden, die Perspektiven der Mietenden gleichermaßen wie die der Investierenden bedacht werden und externalisierte und zum Teil auch erst in der Zukunft liegende Kosten mitberücksichtigen. Beispielhaft ging sie auf konkrete Instrumente wie eine Stärkung des Vorkaufsrechts für Kommunen und eine konsequente Aktivierung von Gebäudeleerständen ein, um Boden künftig gemeinwohlorientiert aktivieren und sichern zu können. Ebenso notwendig sei eine interdisziplinäre Qualifizierung und Umsetzung integrierter Planungskonzepte, zum Beispiel durch die Etablierung entsprechender Austauschformate zwischen Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften. Vor allen Dingen gehe es darum, Kooperationen zwischen gemeinwohlorientierten Akteuren zu unterstützen, um so die Potenziale in der Stadt- und Quartiersentwicklung zu heben.
Aufstockungen, Umbau und Umnutzung im Bestand bieten auf Gebäudeebene Möglichkeiten für zusätzlichen Wohnraum, fasste Stefan Winter von der TU München, Co-Leiter der Arbeitsgruppe „Baustoffe, Konstruktion und Energie”, zusammen und zeigt hier einige Beispiele. Damit diese Potenziale genutzt werden können und sich eine Umbaukultur entwickeln kann, braucht es Kosteneinsparungen und -effizienz sowie Planungs- und Rechtssicherheit. Der Bestand sollte grundsätzlich in den planungsrechtlichen Grundlagen abgebildet werden – neben denen auf Bundesebene (BauGB, BauNVO) müssten hier insbesondere die Länderbauordnungen zukünftig Umbau und Bauen im Bestand stärker einbeziehen und Erleichterung schaffen. Auch die Harmonisierung der Länder spiele hier eine Rolle. Zur Sichtbarmachung von Nachverdichtungspotenzialen betrachte die Arbeitsgruppe Kataster-Lösungen. Weitere diskutierte Stellschrauben umfassten steuerliche Anreize – von Begünstigungen des Wohnungsbaus allgemein bis hin zu konkreten Vorschlägen wie einer Sonderabschreibung für den Wohnungsbau im Bestand bei Dachausbau, Aufstockung oder Anbau. Die Gruppe beleuchte darüber hinaus die Projektabwicklung im Bestand und Optionen für eine Optimierung, um künftig Kosten zu sparen.
Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Vorstellung des Reallabor-Mappings durch Stefanie Bucher, Leiterin der Geschäftsstelle Bauen & Wohnen. Die digitale Deutschlandkarte visualisiert Reallabore und Best Practices rund um Bauen und Wohnen. Fachleute aus Kommunen und Verwaltungen auf allen politischen Ebenen sowie zivilgesellschaftliche Unternehmen und Initiativen können dieses Tool nutzen, um voneinander zu lernen und eigene Projekte voranzutreiben.
Reger Austausch zu Erfahrungen und den großen Fragen im Kontext Bauen und Wohnen
Nicht nur die Expertinnen und Experten, auch das Publikum kam zu Wort. Über Mentimeter konnten die Teilnehmenden ihre Erfahrungen einbringen. So zeigte sich bei den „Herausforderungen bei der Wohnungssuche“ der Preis in verschiedenen Facetten als größte Hürde – Angebot, Verfügbarkeit, Bezahlbarkeit und Lage waren hier die häufigsten Antworten. Bei der Frage, auf welche Ausstattung man in einem Mehrgeschossbau nicht verzichten wollen würde, lag der Balkon klar vorne, gefolgt von Schallschutz und Aufzug mit deutlichem Abstand vor automatisierten Lüftungsanlagen und elektrischen Rollläden.
In der abschließenden Plenumsdiskussion ging es um zentrale Fragen im Kontext Bauen und Wohnen:
Barrierefreiheit im Bestand: Obwohl dies wünschenswert sei, könne etwa aufgrund von Einschränkungen in der Baustruktur nicht jedes Bestandsgebäude vollständig angepasst werden, erklärte Stefan Winter. Aber durch Veränderungen im Wohnungsmix und Alternativen im Quartier seien Lösungen möglich. Wo keine Aufzüge eingebaut werden könnten, ließen sich Wohnungen im Erdgeschoss entsprechend nachrüsten. Künftig werde barrierefreier Wohnraum immer notwendiger, gerade aufgrund des demografischen Wandels, wie Agnes Förster ergänzte.
Der Umgang mit Boden: Ortwin Renn machte deutlich, dass Boden naturgemäß knapp bleibt und nur über Verdichtung, steuerliche Rückflüsse oder Nutzungsrechte gesteuert werden kann. Kommunen müssten entsprechend mit Instrumenten ausgerüstet werden, um Boden längerfristig für gemeinwohlorientierten Wohnungsbau zu halten.
Weitere Themen: Brandschutz bei Nachverdichtung, pragmatische Lösungen für Bauaufsichtsbehörden und die Rolle und der Umgang mit Wohnungsgenossenschaften und Eigentümergemeinschaften.
Ein klares Fazit der Veranstaltung: Bauen im Bestand birgt Hürden und Herausforderungen, aber bietet eine Menge Chancen. Um diese zu nutzen, braucht es mehr Klarheit, Weiterbildung und handhabbare Konzepte. Zudem betonte Prof. Agnes Förster, dass auch die soziale Dimension nicht übersehen werden darf. Soziale, gesundheitliche und demografische Herausforderungen seien nicht zu unterschätzen.
Der Gebäudebestand ist zentral für die Schaffung von bezahlbarem und nachhaltigem Wohnraum. Die Teilnahme in Rostock hat gezeigt, wie wichtig hier der Austausch ist. Das Projekt-Team Bauen & Wohnen möchte sich hierfür noch einmal herzlich bei unseren Expertinnen und Experten und allen Beteiligten bedanken.
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